Für Investoren ist es von zentraler Bedeutung, dass die Gründer als wichtigste Know-How-Träger und Ideengeber des Unternehmens möglichst dauerhaft und eng an das Unternehmen gebunden sind. Um sich abzusichern, setzen Gesellschafter in aller Regel auf ein Gründer Vesting. In Kooperation mit dem Venture Capital Blog steht Rechtstexperte Dr. Raoul Müller, LL.M. (EUR), M.B.A. Rede und Antwort.
Wieso ein Vesting?
Für Investoren ist es von zentraler Bedeutung, dass die Gründer als wichtigste Know-How-Träger und Ideengeber des Unternehmens möglichst dauerhaft und eng an das Unternehmen gebunden sind. Auch für das Gründerteam selbst ist es wichtig, dass kein Gründer die Gesellschaft verlassen kann ohne dass er eine gewisse oder vollständige Einbuße seiner Beteiligungsquote hinnehmen muss.
Der Grundmechanismus eines Vestings ist, dass sich die Gründer ihre Geschäftsanteile an der Gesellschaft, welche sie üblicherweise gegen Zahlung des Nominalwertes der Geschäftsanteile erworben haben, erst über einen gewissen Zeitraum (Vesting-Periode) durch ihre zukünftige Tätigkeit in der Gesellschaft „verdienen“ müssen. Endet die Tätigkeit vor Ablauf dieses Zeitraums und liegt ein zuvor definiertes Vesting-Ereignis vor führt dies dazu, dass der entsprechende Gründer bzw. sein Beteiligungsvehikel seine Beteiligung teilweise oder vollständig verliert.
Inhalt des Vestings
Üblicherweise wird eins sogenanntes „Reverse Vesting“ (auch „umgekehrtes“ bzw. „negatives“ Vesting genannt) vereinbart, bei dem der jeweilige Gründer nicht laufend weitere Geschäftsanteile an der Gesellschaft zugeteilt werden, sondern eine Erdienung von Geschäftsanteilen erfolgt, welche der Gründer im Falle eines Endes seiner Tätigkeit während der Vesting-Periode endgültig behalten darf und nicht wieder verlieren kann. Tritt ein Vesting-Ereignis ein, hat der betroffene Gründer eine bestimmte Anzahl der von ihm direkt oder indirekt gehaltenen Geschäftsanteile an der Gesellschaft wieder abzugeben.
Üblicherweise geschieht dies durch die Vereinbarung einer aufschiebend bedingten Übertragung der Geschäftsanteile, die dem Vesting unterliegen (Vesting-Geschäftsanteile). Kommt es zum (vermeintlichen) Eintritt eines Vesting-Ereignis wird die Übertragung regelmäßig allein durch die Mitteilung über das Vorliegen eines Vesting-Ereignisses wirksam ohne dass eine weitere Handlung bzw. Mitwirkung des Gründers erforderlich ist und ohne dass nachgewiesen werden muss, dass tatsächlich ein Vesting-Ereignis vorliegt. Auch die Zahlung des Kaufpreises für die Übertragung der Vesting-Geschäftsanteile ist regelmäßig keine Wirksamkeitsvoraussetzung.
Dieser Mechanismus soll Rechtsfrieden und Rechtssicherheit herstellen und sicherstellen, dass die Übertragung auf jeden Fall wirksam ist und den betroffenen Gründer zur Durchsetzung seiner Ansprüche auf die Erlangung eines rechtskräftigen Urteils beschränken. Erst wenn ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, das feststellt, dass kein Vesting-Ereignis eingetreten ist, ist die Übertragung der Geschäftsanteile rückabzuwickeln.
Um die Übertagung der Vesting-Geschäftsanteile möglichst effektiv zu gestalten, bietet es sich an, bereits in der Gesellschaftervereinbarung einen aufschiebend bedingt gefassten, unwiderruflichen Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung zur Übertragung der Vesting-Geschäftsanteile aufzunehmen, in welchem die Gesellschafter der Übertragung zustimmen und auf alle Rechte, wie beispielsweise Vorerwerbsrechte und Tag-Along-Rechte, verzichten.
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Vesting-Periode und Cliff
Die Vesting-Periode beträgt üblicherweise, abhängig von den verschiedensten Faktoren, einen Zeitraum von 24 bis 60 Monaten oder in späten Phasen von Unternehmen wird überhaupt kein Vesting mehr vereinbart. Üblicherweise wird auch eine Unterbrechung der Vesting-Periode vereinbart für Zeiträume in denen der Gründer nicht (ununterbrochen) für die Gesellschaft tätig ist, beispielsweise aufgrund von Krankheit oder Schwangerschaft.
Teilweise wird auch ein Cliff, d.h. ein Anfangszeitraum in welchem überhaupt keine Vesting-Geschäftsanteile vesten, welches üblicherweise einen Zeitraum von 6 bis 12 Monaten umfasst. Scheidet der Gründer während dem Cliff aus der Gesellschaft aus, so muss er sämtliche Vesting-Geschäftsanteile abgeben, wohingegen nach Ablauf des Cliffs regelmäßig die Vesting-Geschäftsanteile, die der Gründer sich in der Zeit des Cliffs verdient hätte, wenn kein Cliff vereinbart worden wäre, als gevestet gelten. Es werden jedoch auch Gestaltungen vereinbart, bei denen das Erdienen von Vesting-Geschäftsanteilen des Gründers erst nach Ablauf des Cliffs startet.
Vesting-Intervalle
Üblicherweise wird ein monatliches Vesting oder 3-Monats-Vesting vereinbart, letzteres ist gründerfeindlicher, da der Gründer dann stets die letzten 3 Monate ununterbrochen für die Gesellschaft tätig gewesen sein muss um sich die Vesting-Geschäftsanteile des jeweiligen Intervalls zu verdienen.
Anzahl der Vesting-Geschäftsanteile
Teilweise wird ein (kleiner) Prozentsatz der Geschäftsanteile generell aus dem Vesting ausgenommen oder dieser Prozentsatz gilt als bereits gevested zum Zeitpunkt des Vesting-Starts. Auf diese Weise soll die bisherige Arbeitsleistung der Gründer honoriert werden.
Vesting-Ereignis
Üblicherweise wird im Rahmen der Festlegung der Vesting-Ereignisse unterschieden nach Bad Leaver und Good Leaver Ereignissen, was regelmäßig Auswirkungen auf die Anzahl der abzugebenden Vesting-Geschäftsanteile sowie den Kaufpreis für die Übertragung von Vesting-Geschäftsanteilen hat. Gemein ist beiden, dass der betroffene Gründer oder seine Beteiligungsgesellschaft nicht mehr (vollumfänglich) für die Gesellschaft tätig ist. Häufig ist auch ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot oder das Verbot über Geschäftsanteile an dem Beteiligungsvehikel zu verfügen ein Vesting-Ereignis.
Bad Leaver Ereignis
Im Falle eines Bad Leaver Ereignisses, d.h. einem Ereignis bei dem der Gründer vorwerfbar gegen seine Pflichten verstoßen hat (beispielsweise außerordentliche Kündigung durch die Gesellschaft), muss der Gründer regelmäßig sämtliche Vesting-Geschäftsanteile gegen Zahlung ihres Nominalwert an die Gesellschaft bzw. an die übrigen Gesellschafter (oder sogar Dritte) übertragen. Der Gründer verliert in diesem Fall sämtliche Vesting-Geschäftsanteile, auch wenn er sie sich an sich bereits verdient hat. Lediglich Geschäftsanteile, die von Anfang an nicht dem Vesting unterlagen verbleiben beim Gründer. Geschäftsanteile, die nicht beim Gründer verbleiben werden aber regelmäßig stimmrechtslos gestellt und sind ggf. auf Verlangen der Gesellschafterversammlung (ggf. unter Zustimmung der Investorenmehrheit) auf einen Treuhänder zu übertragen.
Die Voraussetzungen eines Bad Leaver Ereignisses werden aufgrund ihrer einschneidenden Wirkung häufig abschließend definiert , wohingegen die Definition eines Good Leaver Ereignisses regelmäßig nicht abschließend definiert wird, sondern alle Fälle umfasst, die kein Bad Leaver Ereignis sind.
Good Leaver Ereignis
Bei einem Good Leaver Event, d.h. einem Ereignis bei dem der Gründer in nicht vorwerfbarer Weise gegen seine Pflichten verstoßen hat (beispielsweise Tod, schwere Krankheit), sind die Rechtsfolgen weniger einschneidend und es endet
- schlicht das Vesting, d.h. der Gründer kann keine weiteren Vesting-Geschäftsanteile mehr erdienen, und
- die noch nicht erdienten Vesting-Geschäftsanteile sind zum Nominalwert an die Gesellschaft bzw. an die übrigen Gesellschafter zu übertragen
Der Gründer darf also regelmäßig sowohl die nicht dem Vesting unterliegenden als auch die bis zum Eintritt des Good Leaver Ereignisses erdienten Geschäftsanteile (Gevestete Geschäftsanteile) behalten.
Zum Teil wird auch vereinbart, dass der Gründer auch die Gevesteten Geschäftsanteile abgegeben muss, hierfür jedoch den Verkehrswert erhält.
Weitere Gestaltungsmöglichkeiten
Nachdem einen Vesting-Ereignis regelmäßig größere Differenzen im Gründerteam vorausgegangen sind, habe die übrigen Gesellschafter regelmäßig ein Interesse den betreffenden Gründer nicht weiterhin als voll berechtigten Gesellschafter im Gesellschafterkreis zu haben.
Regelmäßig werden daher die einem Gründer verbleibenden Geschäftsanteile (Gevestete Geschäftsanteile und Geschäftsanteile, die von Anfang an nicht dem Vesting unterlagen)
- in Geschäftsanteile ohne Stimmrecht umgewandelt, welche
- auf Verlangen der übrigen Gesellschafter (unter Zustimmung der Investorenmehrheit) auf einen Treuhänder zu übertragen sind, oder
- Unterliegen einer Kaufoption der Übrigen Gesellschafter zum Verkehrswert.
Für den Fall, dass Uneinigkeit über den Verkehrswert besteht, bietet sich die Vereinbarung eines Schiedsgutachterverfahrens an.
Beschleunigtes Vesting (Accelerated Vesting)
Häufig wird für den Fall eines Exits während der Vesting-Periode vereinbart, dass automatisch sämtliche von den Gründern bzw. ihren Beteiligungsgesellschaften gehaltenen Geschäftsanteile an der Gesellschaft als erdient gelten. Teilweise wird diese Regelung noch ergänzt durch weitere Verpflichtungen für die Gründer, wie beispielsweise der Weiterarbeit für die Gesellschaft nach dem Exit für einen Zeitraum von 2-3 Jahren.
Hintergrund dieser Regelung ist der Gedanke, dass im Falle eines Exits sich die Erfolgserwartung der Investoren vollständig erfüllt hat und die Gründer daher hieran wirtschaftlich voll teilnehmen sollen dürfen, jedoch dem Erwerber dann auch für einen gewissen Zeitraum weiterhin als treibende Kräfte des Unternehmens zur Verfügung stehen sollen.
Kaufpreis
Der von dem den Erwerber zu zahlende Kaufpreis richtet sich regelmäßig
- Beim Bad Leaver nach dem Nominalwert der Geschäftsanteile und
- Beim Good Leaver nach dem Verkehrswert der Geschäftsanteile.