Dr. Jobst Wibbelmann begleitet Capmatcher fortan im Mentoring-Board Chemicals & Patents. Als erfahrener Patentanwalt erklärt uns im heutigen Interview, welche Möglichkeiten Startups haben, Erfindungen patentieren zu lassen – und welche Risiken hier oft völlig unbewusst verborgen liegen. Mit über 30 Jahren Erfahrungen im Patentrecht hat er nicht nur die theoretische Seite, sondern auch die praktische Umsetzung vielfach erlebt und mitgestaltet.
Sehr geehrter Herr Dr. Wibbelmann, stellen Sie sich doch unseren Startups & Investoren zunächst vor.
Mein Name ist Jobst Wibbelmann. Ich bin seit über 30 Jahren im Patentrecht als promovierter Chemiker, Deutscher Patentanwalt und European patent attorney unterwegs und leite die Chemie-Abteilung einer größeren Patentanwaltskanzlei in München. Ich vertrete eine große Zahl inländischer und ausländischer Patentanmelder, darunter einzelne Erfinder und größere Konzerne, vor den in München ansässigen Patentämtern (Deutsches Patent- und Markenamt, Europäisches Patentamt).
Das klingt eigentlich noch nicht so spannend – wie sieht denn ein typischer Alltag eines Patentanwalts aus?
Die besondere Herausforderung oder besser gesagt der besondere Kick liegt darin, dass sich die Aufgaben täglich ändern. Heute kommt der große Konzern mit einem komplexen Patentportfolio, bei dem es darauf ankommt, jeden Teil davon richtig aufzustellen. So steht z.B. heute das Kernpatent in einem größeren Einspruchsverfahren, in dem viele Wettbewerber gewichtige Gründe gegen das Patent vorgebracht haben, unter Feuer. Wenn dieses Patent fällt sind auch die anderen „Steine“ im Portfolio weniger wert.
Diese Begeisterung wachzuhalten und richtig in die Patentsprache umzusetzen, ist eine sehr befriedigende Herausforderung und Notwendigkeit. Diese Herausforderung ist aber noch spannender, wenn sie auf die Neugier der Startup-Welt trifft.
Morgen habe ich einen Termin mit einem Einzelerfinder, der seiner Erfindung nicht wirklich traut. Hier geht es darum, die Patentanmeldung einmal richtig zu formulieren, wobei sich die Investition in eine Patentanmeldung auch wirtschaftlich lohnen soll. Manchmal kann es sogar sinnvoll sein von einer Patentanmeldung schon wegen der zu erwartenden Kosten abzuraten.
Mehr als 30 Jahre Erfahrung bringen Sie in diesem Bereich mit – das ist eine lange Zeit. Welche weiteren Schritte planen Sie in Zukunft?
Mein Ziel ist es, mich in den nächsten Jahren Schritt für Schritt aus dem sogenannten Tagesgeschäft zurückzuziehen, um dieses Jüngeren zu überlassen. Dabei möchte ich aber nicht den Kontakt verlieren zu dem Teil meiner Arbeit, der für mich besonders befriedigend ist.
Diese Arbeit sehe ich darin Patentanmeldung zusammen mit dem Erfinder soweit auszuformulieren, dass einer weltweiten Patentierung zumindest im Lichte aller jetzt bekannten Hindernisse nichts im Wege steht.
Man könnte meinen, Innovation liegt Ihnen besonders am Herzen. Interessieren Sie sich auch deshalb für die Startup-Welt?
Die sogenannte Innovation ist tatsächlich das Herzstück einer Patentanmeldung. Oft wird von Anmeldern und Kollegen verkannt, wie wichtig es ist, auch mit allgemeinverständlicher Sprache die Erfindung in eine sinnvolle Fassung zu bringen. Natürlich gibt es in vielen wissenschaftlichen Disziplinen abstrakte Ungetüme, mathematische Formeln, die oft öde erscheinen.
Aber im Kern einer Erfindung steckt regelmäßig auch eine Begeisterung. Das ist sozusagen das emotionale Gegenstück zur – juristisch ausgedrückt – erfinderischen Tätigkeit nach Artikel 56 EPÜ. Diese Begeisterung wachzuhalten und richtig in die Patentsprache umzusetzen, ist eine sehr befriedigende Herausforderung und Notwendigkeit. Diese Herausforderung ist aber noch spannender, wenn sie auf die Neugier der Startup-Welt trifft.
Wo möchten Sie Startups hierbei ganz besonders unter die Arme greifen?
In der Startup-Welt trifft man zum Thema Patent regelmäßig auf das Randspektrum aller Möglichkeiten. Das heißt eher die totale Unterschätzung aber auch Überschätzung der eigenen Erfindung, oder aber die totale Negierung (das heißt: „alles bleibt geheim“) bis hin zu „wir bringen jede Innovation zum Patent“.
Hier fehlt oft zunächst die richtige Positionierung. Ich denke, dass jemand mit meiner Erfahrung hier mit Rat und Tat – ja, auch eigenem Kapital – besonders unter die Arme greifen kann.
Gerade in der frühen Phase eines Startups ist das Kapital knapp und nur selten sind Patent-erfahrene Gründer an Board. Haben Sie konkrete Tipps für Gründer, die sich Gedanken über eine Patentierung machen?
Startups ohne ausreichendes Kapital sollten sich in jedem Fall von einem Patentanwalt beraten lassen, wo genau ihre Innovation in der Patentwelt zu verorten ist. Hierzu gibt es – fast immer – eine kostenfreie Erstberatung bei einer Kanzlei oder die Erstberatung, ebenfalls bei einem Patentantanwalt, im DPMA. Wichtig ist es auch, ein frühzeitiges Bekanntwerden der Innovation zu verhindern. Stichwort: absolute Neuheit! Also kann der erste öffentliche Pitch schon das Patentrecht verhindern.
Andererseits gibt es manchmal kostengünstigere Schutzrechte, die einen unerhörten Werbeeffekt haben können. Ein Beispiel: Geschmacksmusterschutz für die Gestaltung eines Schutzblechs beim e-Roller. Startups können viel Geld er-sparen, wenn sie mit wenig Anleitung schon einmal im Internet nach ähnlichen Innovationen gesucht haben. Diese Suche liefert auch manchmal Patentdokumente, die zu einem Hindernis bei der eigenen Aktivität werden können Diese Suche ist dann auch sehr hilfreich bei der Formulierung von Patentanmeldungen.
Welche Risiken gibt es hierbei?
Patente sind Risiken für Startups vor allem aus zwei Gründen. Erstens: Die Innovation verletzt ein Patentrecht. Der Patentinhaber fordert Unterlassung und Schadensersatz. Das kann existenzgefährdend sein. Zweitens: Die Patentierung gelingt nicht. Hier sind nicht nur Kosten versenkt worden, sondern unter Umständen auch ein Schongebiet (technischer Bereich, in dem ein Patentanspruch kaum noch aufgestellt werden kann) eröffnet worden.
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